Geschichte der Wohngenossenschaft St. Johann
Widerstand gegen die Überbauung des Schlachthofs als Motiv der Gründung der Genossenschaft St. Johann
Die WG St. Johann wurde im Jahre 1972 mit SP-Mitgliedern des damaligen SP-Quartiervereins St. Johann gegründet. Das Ziel war es auf dem alten Schlachthof-Areal Genossenschaftswohnungen zu bauen, denn der Grosse Rat hatte nämlich einen Bebauungsplan genehmigt, der auf dem ganzen Areal Wohnungen vorsah. Doch aus dem Quartier regte sich Widerstand gegen die Schlachthofüberbauung, weil das Quartier zuwenig Grünflächen hatte. Unter der Federführung des Komitees Wohnliches St. Johann wurde eine Volksinitiative lanciert, die einen Park forderte. In der Folge wurde im politischen Prozess das Projekt redimensioniert und ein Kompromiss beschlossen. Es entstand der heutige St. Johanns-Park. Nördlich auf dem Areal wurden das Alters- und Pflegheim Johanniter, die Privat-Wohnungen am Rhein und der grosse gemeinnützige Wohnungsbau erstellt. Von diesen Wohnungen übernahm der Wohnbaugenossenschaftsverband Nordwest wgn zwei Drittel und die AG für sozialen Wohnungsbau (später in Konkurs gegangen) den Rest. So blieb für die WG St. Johann keine Möglichkeit mehr genossenschaftliche Wohnungen zu realisieren.
In der Folge überlegten sich die Gründer die Genossenschaft aufzulösen. Anfangs der Achtzigerjahre gab es in Basel die Hausbesetzungen. Die Besetzerinnen wehrten sich gegen den Abriss schöner Häuser mit preisgünstigen Wohnungen und verurteilten die neuen lieb- und gesichtslosen Neubauten mit den teuren Mieten. Gleichzeitig begannen linke und ökologisch orientiere Leute alte Häuser in Quartieren zu kaufen und sanft zu renovieren. Unter dem Slogan „Bsitze statt bsetze“ wurden sie Eigentümer und konnten sich damit dem permanent drohenden Rausschmiss der skrupellosen Bauherren entziehen. Wohl waren die Wohnungen nach dem Kauf teurer als Abrisswohnungen. Doch sie boten Sicherheit und waren schon nach einigen Jahren wieder auf einem ähnlichen Mietzinsniveau. Neue initiative Leute übernahmen 1980 die WG St. Johann und änderten deren Zielsetzung. Schwerpunkte waren nun bestehende Häuser im St. Johann durch Kauf der Spekulation zu entziehen und diese sanft zu renovieren. So kann mittel- und langfristig preiswerter Wohnraum erhalten werden. Vorbild für die neuen Akteure der WG St. Johann waren die WG CoHabitat und auch die WG Gnischter.
Erwerb der Liegenschaft in der Davidsbodenstrasse 19
Die Wohngenossenschaft CoHabitat besitzt die Eckliegenschaft Davidsbodenstrasse 25/Davidsrain. Darin befand sich früher eine COOP-Filiale. Ruedi Bachmann ein Vorreiter der Revitalisierung von Wohnquartieren in der Stadt Basel setzte sich für den Erhalt des Ensembles ein. Die Häuser waren damals noch nicht in der Schon- und später Schutzzone, sondern in der Zone 5a. Die Häuser in dieser Zone waren allesamt vom Abriss bedroht, weil ein Neubau etwas mehr Nutzung zuliess. Im Jahr 1978 gab der damalige Eigentümer des 1901 erbauten Hauses ein Gesuch für einen Neubau ein. Diese Neubauprojekt wurde von der benachbarten Wohngenossenschaft CoHabitat durch alle Instanzen erfolglos angefochten. Trotz einer Neubaubewilligung war der Hausbesitzer bereit das Haus zu verkaufen. Beim Vermittler Ruedi Bachmann bewarben sich zwei Hausgruppen für dieses Haus. Die eine Gruppe schloss sich der WG St. Johann an. Für den Zuschlag gab es den legendären Fünfliber-Wurf. Das Glück stand auf der Seite der Hausgemeinschaft der WG St. Johann. Am Vormittag des Morgenstreichs 1982 wurde der Kaufvertrag unterschrieben. Innert zwei Jahren renovierte die Wohngenossenschaft unter der Leitung des Architekten Mario Meier, der selbst mit seiner Familie im 2. Stock wohnte, das Haus sanft. Die BewohnerInnen bestimmten in zahlreichen Haussitzungen, teils unter Teilnahme der Handwerker, selbst über die Art der Renovation.
Vision einer alternativen Wohnform
Den Gründern der Wohngenossenschaft St. Johann schwebte eine Wohnform vor, die eine Alternative zum traditionellen Wohnmodell darstellen sollte: die Mieter sollten das von ihnen bewohnte Haus selber verwalten und dabei Sorge zur Liegenschaft, Umgebung, Quartier und Umwelt tragen. Es sollte vermieden werden, dass alte Häuser abgebrochen und durch Neubauten ohne jeglichen ästhetischen Anspruch ersetzt werden. Die Genossenschafter setzten sich aktiv fürs Erhalten der Grünflächen im Quartier ein. Getreu dem Grundsatz, dass zur Wohnlichkeit auch eine intakte Umgebung gehört, erhob die Wohngenossenschaft regelmässig Einsprachen gegen Bauprojekte, die lediglich wirtschaftliche Zwecke verfolgten und die Grünflächen verdrängten. So bewirkte beispielsweise eine im Jahr 1993 erhobene Einsprache gegen die Vorgartenumgestaltung Davidsbodenstrasse 32 in Parkplätze, dass der Hausbesitzer der Liegenschaft keinen Lieferwagenabstellplatz erstellen konnte. Ein Erfolg war auch, dass durch Baueinsprache die Vorgärten der Murbacherstrasse 34 nicht in Autoparkplätze umgewandelt wurden.
Erwähnenswert ist auch die aktive Mitwirkung bei der Siedlung Davidsboden. Dank der WG St. Johann und der CoHabitat konnte erwirkt werden, dass die CMS Zweidrittel des ehemaligen Bertramsareals übernehmen konnte und das Modell der Mietermitsprache umgesetzt wurde.
Erwerb der Liegenschaft in der Kraftstrasse 5
Die Liegenschaft in der Kraftstrasse 5 ist im Jahr 1983 durch die Wohngenossenschaft St. Johann erworben worden. Der Vorstand ist auf Grund einer Annonce im Baslerstab darauf aufmerksam geworden. Der Besitzer, Herr Christen, wohnte im ersten Stock des Hauses an der ruhigen Kraftstrasse und betrieb im Hinterhof seine Metallbauwerkstatt. Altershalber verkaufte er sein Geschäft an den Mitarbeiter, Herr Hirt. In der Folge wollte er auch die Liegenschaft verkaufen und dafür ein Haus auf dem Bruderholz erwerben. Der Kaufpreis von CHF 1 Mio war damals „teuer“ und erforderte einen Kraftakt in der Finanzierung. Für die Anzahlung von CHF 100'000 half uns damals die WOGENO Zürich mit einem Darlehen aus. Dies ohne Vertrag und Cash. Die Finanzierung erfolgte über BKB-Hypotheken. Um 90% des Kaufpreises zu finanzieren beanspruchten wir auch eine Bürgschaft der Hypothekarbürgschaftsgenossenschaft der Wohnbaugenossenschaften Schweiz. Die übernommenen Bewohner sind mit einem Ideen-Wechsel konfrontiert worden. MieterInnen mussten GenossenschafterInnen werden. Für den notwendigen Ertrag mussten wir die Mieten der 2-Zi Wohnungen von CHF 250.00 auf CHF 500’00 erhöhen, also verdoppeln. Das gab einigen Unmut. Mehrere MieterInnen zogen aus. Infolgedessen das Haus anfangs zu einem Sorgekind wurde. Heute schmunzelt man darüber. Profitieren können die jetztigen BewohnerInnen von den günstigen Mieten. Hätten wir damals das Haus nicht gekauft wären dort heute die Mieten sicher nicht so günstig.
Die erste Statutenrevision
Im Jahr 1985 hat die Generalversammlung eine Statutenrevision gutgeheisen. Erstmals wurden Hausdelegierte als Vertreter einzelner Häuser in den Vorstand gewählt.
Erwerb der Liegenschaft in der Murbacherstrasse 36
Die Liegenschaft wurde im Jahr 1986 durch die Wohngenossenschaft erworben, nachdem der Vorstand auf das Haus durch eine Mieterin aufmerksam gemacht worden war. Die Finanzierung der nach dem Kauf erfolgten Renovationen erforderte eine Solidarbürgschaft seitens der Bewohnerinnen und Bewohner und eine Mietzinserhöhung. Damals akzeptierte die finanzierende Basler Kantonalbank BKB noch derartige Bürgschaften, auch wenn die MieterInnen kein hohes Einkommen ausweisen konnten. Die Überlegung war clever und einleuchtend. Der damalige Hypothekenverantwortliche sagte, wenn die GenossenschafterInnen welche auch MieterInnen sind bürgen müssen, dann haben sie alles Interesse, dass die Mieten regelmässig einbezahlt werden sonst verlieren sie ihr Dach über dem Kopf. Dies könnten heutige Bankmanager zum Vorbild nehmen.
Erwerb der Liegenschaft in der Vogesenstrasse 126
Das Haus in der Vogesenstrasse 126 wurde im Jahr 1993 gekauft. Der Kauf der vierten Liegenschaft hat einen langen Leidensweg zur Finanzierung hinter sich. Der Kaufpreis war relativ hoch. So war die Vo-126 über Jahre das Sorgenkind der WG, weil der notwendige Ertrag durch die Mieten nicht voll gedeckt war. Dank dem, dass die WG St. Johann schon mehrere Häuser im Besitz hatte konnte die negative Bilanz überbrückt werden. Das Beispiel zeigt, dass wenn eine WG mehrere Liegenschaften besitzt Engpässe in solidarischer Weise gegeneinander überbrückt werden können.
Verwaltungsvertrag mit der Liegenschaftsverwaltung Wohnstadt
Die Verwaltung von vier Liegenschaften forderte die Genossenschafterinnen und Genossenschafter immer wieder heraus. Im Verlauf der Zeit hat sich gezeigt, dass um diese Aufgabe zur Zufriedenheit der Mieterinnen und Mieter zu erfüllen, ein Arbeitspensum erforderlich ist, welches über den Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit hinausgeht. Nachdem verschieden Modelle überprüft wurden, beschloss die Wohngenossenschaft, einen Teil der Administration an eine externe Verwaltung auszulagern. Im Jahr 2000 unterzeichnete die amtierende Präsidentin der Wohngenossenschaft mit der Wohnstadt Bau- und Verwaltungsgenossenschaft einen Verwaltungsvertrag, mit welchem bestimmte genau definierte Aufgaben durch diese erfüllt werden.
Statutenrevision 2001
Die neue Zusammenarbeit mit der Wohnstadt erfordert eine Statutenrevision. Überdies nutzte der Vorstand diese Gelegenheit dazu, eine Finanzierung mit den Mitteln aus der beruflichen Vorsorge in die Statuten aufzunehmen als auch dazu, die veralteten Begriffe in den Statuten zu bereinigen.
Statutenrevision 2009
Im Jahr 2008 gab es eine Gesetzesänderung des Revisionsrechts. Seither dürfen die Revision nur zertifizierte Revisoren durchführen. Dies führte dazu, dass die Statuten an das neue Gesetz angepasst werden mussten.
Erwerb der Jungstrasse 36
Im April 2009 sind zwei Mietparteien aus dem statthaften Eckhaus an der Kreuzung der Jungstrasse mit der Lothringerstrasse an den Vorstand mit der Information gelangt, dass die Liegenschaft verkauft wird. Nach einer kontroversen Diskussion in der Wohngenossenschaft haben wir uns entschlossen, das Haus zu erwerben, was nach langen Verhandlungen gelungen ist.
Statutenrevision 2019
An der Generalversammlung vom 26. Mai 2019 haben wir einen Artikel betreffend Zweck, Mittel und Grundsätze wie folgt angepasst: "Die Wohngenossenschaft bezweckt ihren Mitgliedern preisgünstigen Wohnraum zu verschaffen, diesen zu unterhalten und dauernd der Spekulation zu entziehen, um selbstverwaltete, sichere und gemeinschaftliche Wohnformen zu verwirklichen."